Dr.Jochen Vogel                                                                                T 10

Steinach, BRD

spielkarten mit bergmännischen motiven 

teil 1: 1535 – 1897

Wenn Sie eine Spielkarte in den Händen halten oder wenn Sie mit Freunden eine Runde Skat spielen, machen Sie sich sicherlich keine Gedanken über die Symbole auf den Karten oder die Herkunft der Bilder. Ihre Geschichte ist jedoch länger, als man glauben möchte.

Wahrscheinlich war der Ursprung das indische Würfelschach. Im Laufe der Zeit verzichtete man auf den Würfel, ersetzte wieder später die geschnitzten kostbaren Figuren durch Plättchen und letztlich verschwand sogar das Brett.

Im Mittelalter gelangte das Kartenspiel nach Europa. In Italien wird es 1377 erstmalig erwähnt und sogleich verboten. Die Verbreitung des Kartenspielens muß jedoch mit rasanter Geschwindigkeit erfolgt sein, denn bereits 1 Jahr später, 1378 untersagt der Rat von Regensburg das Kartenspielen in Gasthäusern und Herbergen. Nunmehr versuchten Kirche und Regenten durch Verbote und Auflagen das immer mehr um sich greifende Kartenspielen einzudämmen. Sie wissen ja: „Verordnungen werden dann erlassen, wenn es die Allgemeinheit und nicht die Wohlhabenden betrifft“. 1423 wetterte Bernhardin von Siena gegen das Kartenspielen und so ist es auch nur zu verständlich, daß zeitgenössische Stiche aus dem 15. Jahrhundert die öffentliche Verbrennung von Spielkarten zeigen. Als das „Gebetbuch des Teufels“ wurden die Spielkarten bezeichnet und das leitet sich aus der „Verteufelung“ des Kartenspielens und auch daraus ab, daß man im Mittelalter die Karten wie Gebetbücher zum Versand in Fässern verpackte. Dennoch oder gerade deswegen fanden die Kartenspiele, handgemalt, bald auch in höchsten Kreisen ihre Liebhaber. 

Verbote hatten den Siegeszug des Kartenspieles in Europa nicht aufhalten können. Als das die weltlichen Herren das erkannten, wurde die Spielkarte besteuert. Sichtbares Zeichen war der per Hand abgeschlagene Steuerstempel. Nach 1939 ist er in Deutschland nicht mehr vorhanden, denn die Steuer wurde als sog. Bagatellsteuer abgeschafft. Nur bei Nachdrucken alter Spiele ist der ehemals abgeschlagene Stempel als Aufdruck noch vorhanden.

Die ersten Spielkarten wurden aus Holz, Leder, dünnen Elfenbeinplättchen, dann auch aus Pergament angefertigt. Für das „gemeine Volk“ war das unerschwinglich.

Mit der Erfindung des Papiers, des Holzschnittes und des Kupferstiches im 15. Jahrhundert war es möglich, Spielkarten in größerer Zahl herzustellen. Der Kartenmacher wurde Handwerker und wird z.B. in Nürnberg 1384 erstmals urkundlich erwähnt. Das Bemalen erfolgte mit dem Pinsel, später mit Schablonen.

 

Der Kartenmacher arbeitete auf eigene Rechnung und war in den meisten Fällen auch sein eigener Verkäufer. Er mußte also auf die Mentalität seiner Kunden achten und diese bevorzugten „ihr Bild“. Daraus ergibt sich, daß trotz der Bedeutung des Bergbaues bergmännische Darstellungen auf den alten Karten kaum auftreten. Hinzu kommt, daß alte komplette Spiele sehr, sehr selten sind. Die Frage nach dem „warum“ ist plausibel zu beantworten. Bei den teilweise verheerenden Bränden im Mittelalter gab es wichtigere Dinge, die vor den Flammen gerettet werden mußten. Dazu zählten neben Hab und Gut auch Urkunden und andere wichtige Dokumente. Wer dachte da schon an die Spielkarte? Dennoch finden wir heute einzelne Karten. Bevorzugte Stellen sind Abfallgruben, Toiletten oder die ehemalige Verwendung als Buchzeichen zum Auffinden einer Seite.

Die älteste uns bisher bekannte Spielkarte mit einer Bergbaudarstellung ist die des Hans Leonhard Schäufelein. Sie erschien in Nürnberg um 1535. Das Spiel bestand aus 52 Blatt, ist aber heute nicht mehr vollzählig und befindet sich im Bestand des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg. Die Grün-2-Karte bzw. das Grün-Daus (auch Blatt, Laub, Gras) zeigt neben den beiden kursächsischen Wappen Schlägel und Eisen auf einem Wappenschild.

Überhaupt sind Wappenschilder mit Schlägel und Eisen über viele Jahre der einzige Bezug zum Bergbau. Verschiedene mehr oder weniger gut erhaltene Kartensätze aus der Zeit um 1550 bis 1615 zeigen diese Darstellung bevorzugt auf Eichel-, Rot - und Schellen-Daus

 

Das Stadtmuseums Annaberg (-Buchholz/Erzgebirge) besitzt ein Bogenfragment einer „Schwerdter Karte“ aus der Zeit um 1680. Von ehemals 36 Blatt sind noch 9 in der Größe von 9,7 x 5,6 cm erhalten. Das Rot-Daus führt das Wappen von Annaberg. Darin enthalten sind zwei Bergleute sowie Schlägel und Eisen. Das Gebäude auf Schellen - Neun soll wahrscheinlich ein Huthaus darstellen.

 

In der Sammlung des Stadtmuseums Braunschweig befindet sich eine Spielkarte von 1691

Sie umfaßt 48 Blatt und ist handkoloriert. 

Die Grün-Unter-Karte zeigt einen Bergmann in Festkleidung.
Er stützt sich auf ein Häckel und hält in der anderen Hand eine Froschlampe.

Nach unseren Recherchen zeigt diese Spiel als erstes Spiel auf einer Bildkarte die figürliche Darstellung eines Bergmannes.

Aus der Zeit um 1760 existiert eine Spielkarte aus Meißen b. Dresden, bei der auf dem Grün-Daus auch ein Wappenschild mit Schlägel und Eisen abgebildet ist.

Für den bisherigen Zeitraum ergibt sich, daß man von Bergbau-Spielkarten nicht sprechen kann. Auch wenn man berücksichtigt, daß einige Spiele nicht mehr vollzählig sind, so ist doch ersichtlich, daß jeweils nur einzelne Blätter auf den Bergbau hinweisen. Meistens erfolgt dies durch Schlägel und Eisen. Die Fragestellung, warum keine Bergbau-Spielkarten existieren, wird sicherlich unterschiedlich beantwortet werden müssen. Wir möchten uns der Meinung PIENN`s anschließen. „Im Vergleich zur Kopfzahl der übrigen Bevölkerung war das ‘Bergvolk’ stets eine Minderheit. Der Kartenmacher, der auf Märkten und Messen sich um den Absatz seiner Erzeugnisse bemühen mußte, hatte daher schon aus wirtschaftlichen Erwägungen wenig Neigung, die Karten seiner Spiele mit von der Norm erheblich abweichenden Bildern auszustatten. Das dürfte mitgewirkt haben, daß nur einige Kartenspiele speziell für den Vertrieb in Bergbaugebieten ... erzeugt worden sind.“


Die erste derzeit bekannte Spielkarte mit Bergbaumotiven auf allen oder zumindest den meisten Blättern stammt aber erst aus dem Jahr 1780 und wird dem Leipziger Kartenmacher Peter Friedrich Ulrich zugeordnet. Es handelt sich um ein Tarock-Spiel mit französischen Farben und darf mit Fug und Recht als Bergbau-Tarock bezeichnet werden. Abgebildet sind verschiedene Bergbauberufs - und - standesgruppen in Uniform mit Barte, Häckel oder Gießlöffel, z.T. auch mit Froschlampe. Ulrich kleidete nicht nur die Damen und Herren auf seinen Bildkarten in teilweise sehr phantasievolle Kostüme bzw. versah sie mit bergmännischen Accessoires, sondern stellte auch auf jeder der 21 Trumpf-Karten bergbauliche Genreszenen dar. Sogar der Sküs trägt einen Schachthut mit Schlägel und Eisen.

 

Bisher ist es nicht gelungen den Anlaß nachzuweisen, der zur Entstehung dieses doch ungewöhnlichen Spiels führte. Die Ulrichsche Werkstatt befand sich damals zusammen mit einer Kunstakademie in den Räumen der Leipziger Pleissenburg. War das Tarock vielleicht die Auftragsarbeit eines vermögenden Bergwerksbesitzers, die Ulrich zusammen mit den Künstlern der Akademie verwirklichte? Oder ist das Spiel ein Phantasieprodukt Ulrichs, der nachweislich mehrere wirklich schöne Tarocks hergestellt hat? Das einzige derzeitig bekannte Exemplar befindet sich in Privatbesitz in der Schweiz. Dieses Spiel ist gedruckt, handkoloriert und hat einen Goldschnitt. Mit sehr großer Wahrscheinlichkeit ist es kein Unikat und man kann nur hoffen, daß eines Tages ein weiteres Spiel oder Teile daraus bekannt werden.

Eine weitere, nicht weniger schöne und ganz dem Bergbau gewidmete Spielkarte wurde um vom Industrie-Comptoir Leipzig als „Erzgebirgische Bergmannsspielkarte gedruckt. 

Dabei sind die Figuren auf den Bildkarten typische Vertreter des regionalen erzgebirgischen Bergbaus und tragen statt Phantasiekostümen die traditionellen Uniformen. 
Auch die Däuser und die Zahlenkarten haben Bergbaubezug. 

Nicht zuletzt ist die hervorrragende Qualität ein Grund für die anhaltende Beliebtheit des Spiels, was die vielen Nachdrucke (1973 erstmalig in der DDR, auch mit zahlreichen Werbeeindrucken von Bergbaubetrieben, 1977 erstmalig in der BRD) bis in die heutige Zeit beweisen

Ein Tarock mit Darstellungen aus dem slowakischen Erzgebirge stammt aus der Zeit um 1825 und wurde in Neutra, heute Nitra (SK) hergestellt. Das Stück befindet sich im Bestand des Technischen Museums für Industrie und Gewerbe Wien. 20 der 21 Tarocke vermitteln einen Einblick in den Stand des Bergbaues und des Hüttenwesens der Mittelslowakei.

Bergbaumotive zählt man heute neben Handwerker-, Jagd - und Berufskarten zu den Vorlagen für das sog. Preußische Bild, welches im zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts entstand. 

Dieses Standardbild mit deutschen Farben wird noch heute gedruckt. Bei Spielkartensammlern steht es nicht zuletzt wegen seiner Variantenvielfalt in hoher Gunst! Eindeutigen Bergbaubezug hat dabei der Rot-Ober in einzelnen früheren Spielen. 

Dort zeigt diese Karte einen Bergmann mit Arschleder und Keilhaue in Festtracht mit deutlich zu erkennendem Schlägel und Eisen am Schachthut. Bei den verschiedenen Auflagen oder Ausgaben erfolgt hier eine Differenzierung durch die Gestaltung des Hintergrundes. 

So wird beispielsweise das Stollenmundloch mit Holzausbau durch einen Schacht mit Förderseil ersetzt.

 

1890 erschien in Prag eine Ausgabe, die in der Literatur als „Patriotisches Spiel“ bezeichnet wird. 

Statt der damals in Böhmen üblichen deutschen Farbzeichen zeigt dieses Spiel Kornähre (für Eichel), Weinfaß (für Schelle) und einen Kristall (für Rot). 

Die stilisierte Darstellung des Kristalls war ausschlaggebend für die Aufnahme dieser Ausgabe. In der Literatur wird dieser Kristall als Diamant bezeichnet, was aufgrund der Kristallform und -  symmetrie eindeutig nicht zutreffend ist. Eventuell könnnte es sich um die Darstellung von Granat handeln, der als Schmuck (Böhmischer Granat) bestens bekannt ist.

Die Farbe „Kristall“ steht für Prag, die „Goldene Stadt“. Auf den Zahlenkarten sind bekannte Stadtansichten zu sehen

Anläßlich des Jubiläums der Leipziger Messe erschien 1897 eine Spielkarte (inzwischen auch mit 2 Nachdrucken), bei der die Ober und Unter verschiedenen Berufen und Ständen gewidmet sind. 

So zeigt der Schellen-Ober einen Bergmusikanten aus dem sächsischen Erzgebirge. Im Begleitheft zur Ausgabe wird der Musikant wie folgt beschrieben: 

„Schell Ober ist ‘ne sehr bekannte / Und auch beliebte Messfigur, / Ein erzgebirg’scher Musikante, / Der bläst und fiedelt mit Bravour; / Sein Podium das war - die Gasse, / Und sein Concertsaal war - der Hof, / Das Straßenpflaster seine Kasse, / Und wo er spielt gab’s Tanz und Schwoof!“

 Man vermutet bei diesem Text nicht, daß diese Bilddarstellung einen zutiefst sozialen Hintergrund hat, denn bei diesem Bergmann handelt es sich um einen Berginvaliden. Einer der Vorläufer der heutigen „Knappschaft“ als Form der sozialen Sicherung war die „Bruderlade“. Deren Leistungen reichten Ende des 19. Jahrhunderts nicht aus, daß invalide gewordene Bergleute davon leben konnten, auch dann nicht, wenn sie ein Stück Land bearbeiteten oder „Bergmannskühe“, also Ziegen hielten.

Die Invaliden zogen daher Einzeln oder in Gruppen auf Märkte, führten ein „Buckelbergwerk“ mit oder traten als Straßenmusikanten auf.

Zusammenfassend ergibt sich:

Aus der Zeit zwischen 1535 und 1760 liegen nur einzelne Karten vor, deren Zuordnung zum Bergbau vorzugsweise durch Schlägel und Eisen, untergeordnet auch durch die körperliche Darstellung von Bergleuten, gegeben ist. Die Ursache für diese Darstellung ist darin zu sehen, daß die auf eigene Rechnung arbeitenden Kartenmacher, die auch meistens selbst den Vertrieb vorgenommen haben, nur solche Motive verwendeten, die man gut verkaufen konnte. Hier lag der Schwerpunkt bei anderen Bevölkerungsgruppen als den Berg – und Hüttenleuten.

Zwischen 1780 und 1825 erscheinen 3 Ausgaben, bei denen alle bzw. fast alle Einzelkarten einen Bergbaubezug haben. Während bei der ersten Ausgabe die zeichnerische und drucktechnische Umsetzung Wünsche offen läßt, zeigen die beiden anderen Ausgaben sehr detailliert den Bergbau im slowakischen Erzgebirge und die Kleiderordnung im sächsischen Erzgebirge. 

Im krassen Gegensatz zu dem Bild, das sich aus den farbenfrohen und teilweise sehr aufwendig gestalteten Uniformen ableitet, steht der „Bergmusikant“, der als Invalide auf  Jahrmärkten und anderen Festen als „Moritatensänger“ auftrat, um mit dieser Form des Bettelns das Familienbudget aufzubessern.

Im Teil 2, der für das Jahr 2003 vorgesehen ist, wird eine Auswahl aus dem breiten Spektrum von ca. 50 Ausgaben bis zum Jahr 2002 vorgenommen.