Sanierung der Hinterlassenschaften des Uranerzbergbaus

im deutsch-tschechischen Grenzgebiet bei Johanngeorgenstadt/Potucky

-

Aktivitäten der WISMUT GmbH Chemnitz

in der Bundesrepubik Deutschland

und DIAMO stadni podnik Straz 

in der Tschechischen Republik

 

 

 

M. Hagen, WISMUT GmbH, Chemnitz, Deutschland

 und

J. Jez, DIAMO s.p., Straz pod Ralskem, Tschechische Republik

 

 

 

 

1                        Perspektiven für eine Region durch Sanierung

 

Der Uranerzbergbau im Erzgebirge führte sowohl im tschechischen als auch im deutschen Teil zu einer nachhaltigen Beeinträchtigung bis zur Zerstörung des Lebensumfeldes der Menschen und der Umwelt. Die Sanierung der großflächig radioaktiv kontaminierten Altlasten in Form von Bergbauhalden, Absetzanlagen, ehemaligen Betriebsflächen, Resten von Schachtanlagen, Stollen und offenen bzw. teilweise gefluteten Grubenhohlräumen stellt insgesamt eine einmalige ökologische und wirtschaftliche Herausforderung in Zentraleuropa dar. Vor zehn Jahren als das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) die Sanierungsgesellschaft WISMUT GmbH gründete begannen an den Standorten der ehemaligen SDAG WISMUT in Sachsen und Thüringen die Stillegungs- und Sanierungsarbeiten. Sanierungsaktivitäten zu den Uranerzbergbau-Altlasten laufen ebenso bei der staatlichen Sanierungsgesellschaft DIAMO s.p., des tschechischen Ministeriums für Industrie und Handel.

 

An den Altstandorten, wo bereits Ende der 50er Jahre die Einstellung der bergmännischen Gewinnungsarbeiten erfolgte, fand zwar in den 70er Jahren teilweise eine begrenzte Wiederurbarmachung von Halden und Betriebsflächen statt, jedoch existieren heute noch zahlreiche Objekte, von denen eine Umweltbelastung ausgeht oder wodurch sich Beschränkungen für eine Nachnutzung der Flächen ergeben.

 

Das Gebiet um Johanngeorgenstadt auf deutscher Seite und Potucky auf tschechischer Seite in einer landschaftlich reizvollen Region des Erzgebirgskammes ist von fast überall sichtbaren Hinterlassenschaften eines intensiven, etwa fünfhundert Jahre währenden Bergbaus geprägt. Im Gebiet Johanngeorgenstadt ist der historische Bergbau auf Eisenerz seit Mitte des 16. Jahrhunderts belegt. Bereits in dieser Zeit des Altbergbaus gelangte mitgefördertes, aber als Element noch nicht bekanntes Uranerz auf die Abraumhalden. Nach der Entdeckung des Elementes Uran durch Klaproth im Jahre 1789 in Wittigsthaler Erzen setzte zu Beginn des vorigen Jahrhunderts auch die kommerzielle Gewinnung von Uranerzen ein. In den Jahren 1946 bis 1959 wurde der Bergbau zur Förderung von Uranerzen im Gebiet Johanngeorgenstadt/Potucky intensiv betrieben. Der Abbau der grenzüberschreitenden Uranerzlagerstätte erfolgte beiderseits der Staatsgrenze, wobei der überwiegende Teil der noch existierenden Hinterlassenschaften sich auf deutscher Seite befindet. Nach der Einstellung der Urangewinnung in dieser Bergbauregion Ende der 50er Jahre war ein dramatischer Rückgang der lokalen Wirtschaft mit gravierend negativen Auswirkungen auf die weitere Entwicklung der Gemeinden und Städte zu verzeichnen.

 

Die nun vorgesehene Sanierung der Bergbauhinterlassenschaften in dieser Region verfolgt zwei zentrale Ziele:

 

·        die Schaffung von Voraussetzungen für die wirtschaftliche Wiederbelebung der Region und

·        die Wiederherstellung von akzeptablen Umweltbedingungen.

 

Über die künftige Nutzung der ehemals bergbaulich beanspruchten Flächen ist noch keine endgültige Entscheidung getroffen worden, so daß Entwicklungskonzepte und Sanierungskonzepte in enger Wechselbeziehung aufgestellt werden können.

 

Wie in allen anderen Standorten des Uranerzbergbaus wurden in der Vergangenheit keine systematischen Untersuchungen der Auswirkungen auf die Umweltradioaktivität durchgeführt. Dennoch stellen Erfassung und Bewertung der aktuellen Umweltsituation in Verbindung mit der Erstellung von Entwicklungs- und Sanierungskonzepten für die Region Voraussetzungen für den Abschluß des Uranerzbergbaus und damit für die nachhaltige Sanierung und Revitalisierung - dar.

 

Die grenzüberschreitende Uranlagerstätte, die gemeinsam betroffene geologische, hydrogeologische und geomorphologische Situation, die vergleichbaren wirtschaftlichen Bedingungen in einem relativ dicht besiedelten Gebiet, das heute hauptsächlich land-, forstwirtschaftlich und touristisch genutzt wird, da gegenwärtig kaum noch Industrie vorhanden ist, erfordern grenzüberschreitend abgestimmte Aktivitäten bei der Sanierung, um eine nachhaltige Revitalisierung herbeizuführen.

 

2                        Die Hinterlassenschaften des Uranerzbergbaus in der Grenzregion

 

Im Raum um Johanngeorgenstadt und Potucky kann man mehrere Bergbauperioden unterscheiden. Es wurden eine Vielzahl meist kleiner Lagerstätten auf Fe, Ag, Cu, Co und Sn über einen langen Zeitraum abgebaut. Ein intensiver Silberbergbau setzte nach der Gründung der Stadt Johanngeorgenstadt im Jahre 1654 ein. Zwischen 1654 und 1766 sind in Johanngeorgenstadt etwa 74 000 kg Silber abgebaut worden.

 

In den Jahren 1946 bis 1959 erfolgte ein ungeheuer intensiver Uranerzabbau. Die Ausbeute der SAG/SDAG Wismut im Revier um Johanngeorgenstadt betrug dennoch letztlich nur etwa 4500 t Uran.

 

Auf deutscher Seite befindet sich eine größere Anzahl von Halden, Betriebsflächen und Absetzanlagen, die weite Teile des Gebietes von Johanngeorgenstadt bedecken. Teilweise wurden in den 60er und 70er Jahren erste Sanierungsarbeiten vorgenommen, die im wesentlichen die Profilierung der Halden umfaßten.

 

Die Hinterlassenschaften des Uranbergbaus im Gebiet Johanngeorgenstadt/Potucky liegen überwiegend in unmittelbarer Nähe zur Wohnbebauung.

 

Um Klarheit über die Situation zu gewinnen und diejenigen bergbaulichen Objekte zu identifizieren, für die Maßnahmen zur Gewährleistung des Strahlenschutzes notwendig sein können, wurde das Gebiet Johanngeorgenstadt vom Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) als Verdachtsfläche betrachtet und im Rahmen des Projektes „Radiologische Erfassung, Untersuchung und Bewertung bergbaulicher Altlastenuntersucht. Die Daten wurden beim BfS  im Datenbanksystem A.LAS.KA bzw. im Fachinformationssystem FbU erfasst.

 

Abbildung 1: Steilbereich der Halde an der Haberlandmühle

 

Im Ergebnis der Verifikation wurde auf deutscher Seite eine Gesamtzahl von 574 bergbaulichen Objekten ermittelt, die in der folgenden Tabelle entsprechend ihrer Charakteristik aufgeführt sind.

 

Tabelle 1:    Anzahl und Charakteristik bergbaulicher Objekte innerhalb der Verdachtsfläche Johanngeorgenstadt nach [1]

 

Objektart

Anzahl der

Objekte

Fläche

in ha

Volumen

in m3

Aufbereitungsanlagen

1

1,6

-

Technische Anlagen

4

0,05

-

Erzverladestellen

5

2,2

8.000

Halden

371

178,6

7.687.098

Hohlräume,

Restlöcher

5

0,62

6.550

Industrielle Absetzanlagen

2

20,6

1.350.000

Schürfe

31

-

-

Schächte

106

-

-

Stollen

36

-

-

Kontaminierte Flächen

13

1,8

9.950

                  Gesamt:

574

205,5

9.061.598

 

Das umfangreiche Grubengebäude in Johanngeorgenstadt hatte bei Einstellung des Uranerzbergbaus eine Ausdehnung von etwa 12 km2 mit 13 Hauptstollen, 11 Zwischensohlen und einer Streckenlänge von über 1000 km.

 

Abbildung 2: Nach Übertage durchgebrochener Abbau im Bereich Rabenberg

 

Auf tschechischer Seite hat die Periode der Uranerkundung und Uranbergbaus um 1946 begonnen, als die Neubewertung und Erneuerung der alten Bergwerke anfing. Es liefen Vorbereitungsarbeiten an den Standorten an, es wurden Bohrungen abgeteuft und Gamma und Emanationserkundungsmessungen durchgeführt. Die Förderung in diesem Gebiet wurde 1963 beendet. Die Fläche der bilanzierten Vererzung in diesem Grenzgebiet entsprach in etwa der Ausdehnung der bekannten untertägigen Bergbauhohlräumen und erstreckte sich über eine Fläche von ungefähr 2,3 km2.

 

Das Bergrevier Potùèky - Prinz Eugen besteht aus 4 Bereichen:

 

1. Bereich Potùèky I. (der zentrale und historische Teil von Potùèky)

2. Bereich Potùèky II. Prinz- Eugen (ca. 1km östlich der Gemeinde Potùèky)

3. Bereich Potùèky III. – das südliche und südwestliche Teilgebiet (Fördergebiet des Schurfs Nr.51)

4. Bereich des Schurfs Nr. 3 und Umgebung (Ziegenschacht) – südöstlicher Teil des Reviers

 

Qualifizierten Schätzungen nach wurde insgesamt 109,6 Tausend m2, Erzgangfläche abgebaut, 43 km horizontale Strecken getrieben, 5 km vertikale Bergwerke geteuft und 138,5 t Uranerz gewonnen. Der überwiegende Teil der bergmännischen Arbeiten auf der tschechischen Seite wurde im 2. Bereich, in Potùèky II. Prinz- Eugen durchgeführt. Die Erkundung des zentralen historischen Bereichs von Potùèky I. wurde vermutlich 1953 beendet, als das Abbaugebiet bis zu 2. Sohle der damaligen DDR übergeben wurde. Die Erkundung und Abbau erfolgten dann in den tieferen Partien der Lagerstätte.

 

Als Folge des Uranbergbaus sind einige kleinere und mittlere Halden entstanden, wie die Halde der Schächte Magdalena, Mir und Slovanka. Während eine größere geographisch großflächig verteilte Anzahl von Beeinträchtigungen durch die Uranerkundung vorhanden ist, war der Uranabbau auf wenige Objekte konzentriert. Eine Sanierung und Abdeckung der existierenden Halden erfolgte nur in wenigen Fällen. Der Großteil liegt im Ursprungszustand vor.

 

Tabelle 2: Auflistung der Bergbaualtlasten im Gebiet Potùèky (in der Verwaltung von DIAMO s.p.)

 

Objektart

Anzahl der Objekte

Bergwerk

10

Schächte

27

Stollen

10

Schürfe

4

Abbau

16

Halden

13

 

Neben den oberirdischen Bergbauanlagen gibt es im Untersuchungsgebiet insbesondere Überreste der untertägigen Arbeiten, wie Hohlräume, Schächte und Stollen (siehe Tabelle 2). Die überwiegende Anzahl der Stollen auf tschechischer Seite entwässern in das Schwarzwasser/Cerna voda, das bei Johanngeorgenstadt/Pachthaus über die Grenze tritt.

 

3                        Vorbereitungsarbeiten der WISMUT GmbH zur Sanierung von Altstandorten – Projekt Johanngeorgenstadt

 

Die WISMUT GmbH hat mit dem Unternehmensbereich WICO im Auftrag der Bundesregierung mit Vorarbeiten für die Sanierung prioritärer Einzelobjekte am Wismut-Altstandort Johanngeorgenstadt in Abstimmung mit den betroffenen Kommunen begonnen. Für diese Vorarbeiten wurde die WISMUT GmbH von ihrem Gesellschafter ermächtigt, Mittel in Höhe bis zu 500.000 DM aus dem Wirtschaftsplan zur Vorfinanzierung einzusetzen.

 

Im Ergebnis dieser Arbeiten wird bis Ende 2001 ein erster Sanierungsplan entstehen für einen effektiven Einsatz von zunächst begrenzten technischen und personellen Ressourcen ermöglicht.

 

Die Sanierung von ausgewählten Einzelobjekten in Johanngeorgenstadt mit hoher Dringlichkeit – entweder aus Gründen der Gefahrenabwehr oder als Investitionsvorraussetzung im Rahmen der kommunalen Entwicklung – werden gegenwärtig für die Sanierungsdurchführung vorbereitet. In Bild 1 sind die in der WISMUT GmbH in Bearbeitung befindlichen prioritären Sanierungsobjekte dargestellt.

 

Abbildung 3: Bei WISMUT in Bearbeitung befindliche prioritäre Sanierungsobjekte

 

Die wesentlichen Arbeitsschritte im Rahmen dieses Projektes sind:

 

·        Beschaffung und Sichtung vorliegender Daten und Unterlagen,

·        Bewertung des existierenden Datenbestandes,

·        Erarbeitung und Durchführung eines Detailerkundungsprogrammes,

·        Umweltbewertung zur Begründung des Sanierungsbedarfs,

·        Erarbeitung von Sanierungsplänen und Genehmigungsanträgen für ausgewählte Einzelobjekte,

·        Kostenabschätzung.

 

4                        Perspektiven für eine Zusammenarbeit zwischen DIAMO und WISMUT im Grenzgebiet von Johanngeorgenstadt/Potucky

 

Im Zusammenhang mit den bereits durch WISMUT begonnenen Arbeiten eröffnen sich auch neue Perspektiven für eine Zusammenarbeit zwischen WISMUT und DIAMO, da, ausgehend von der im gemeinsamen Grenzgebiet vorgefundenen Situation, folgende Schwerpunkte für eine Zusammenarbeit beiderseits vorteilhaft erscheinen:

 

-   Untersuchung und Bewertung eines ausreichend großen Gebietes beiderseits der Grenze, Einbeziehung von allen relevanten Emittenten von durch den Uranbergbau kontaminierter Wässer im grenzüberschreitenden Abstrom, Einbeziehung von relevanten Emittenten über den Luftpfad in einem zu definierenden Korridor an der Grenze,

 

-   Detailuntersuchungen und Bewertungen an Objekten, die in unmittelbarer Grenznähe liegen und dadurch eine grenzüberschreitende Immission bewirken können.

 

Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit bei der Detailerkundung, Bewertung und Planung von Sanierungsarbeiten an den Hinterlassenschaften des Uranerzbergbaus ermöglicht die Einbeziehung des besten know-hows beider Unternehmen und eine abgestimmte Vorgehensweise.

 

Notwendigkeit für gemeinsame Arbeiten besteht auf folgenden Gebieten:

 

·      Erfassung der existierenden Kontaminationssituation infolge des Uranerzbergbaus im grenznahen Bereich des Standortes Johanngeorgenstadt/Potucky,

 

·      Charakterisierung der Emissionssituation im Gebiet Johanngeorgenstadt/Potucky und Darstellung grenzüberschreitender Immissionen,

 

·      Gemeinsame Einschätzung des potentiellen Risikos für die Einwohner und die Umwelt im Bewertungsgebiet beiderseits der Grenze

 

·      Abgleich der Vorgehensweisen bei Messung, Erfassung, Aufbereitung und Auswertung von Daten

 

·      Abgleich der Methodiken für die Bewertung der Umweltbelastungen, für den Vergleich von Sanierungsalternativen und der Auswahl optimaler Sanierungslösungen in Anlehnung an nationale und internationale Richtlinien des Umweltschutzes

 

·      Verwendung einer einheitlichen Methodik für die Bewertung der Umweltbelastung anhand ausgewählter Sanierungsobjekte auf beiden Seiten der Grenze

 

·      Betreiben von temporären Meßnetzen für den Wasserpfad und den Luftpfad zur Bewertung von erreichbaren Sanierungseffekten

 

Anhand von Voruntersuchungen können auf beiden Seiten der Grenze vergleichbare Beispielobjekte ausgewählt werden (z.B. Halde des Schachtes Magdalena in Potucky und Halde des Schachtes 124 in Johanngeorgenstadt/Unterjugel die eine abgestimmte Bearbeitung erfahren, d. h. es werden abgestimmte Untersuchungs- und Bewertungsmethoden angewandt.

 

Eine solche integrierte Vorgehensweise bei der Sanierung der Hinterlassenschaften des Uranerzbergbaus im Grenzgebiet von Johanngeorgenstadt/Potucky stellt eine entscheidende Voraussetzung einer grenzüberschreitenden Lösung der Umweltprobleme dar.

 

 

Folgt Beitrag von DIAMO

 

 

 

 

Literatur

 

[1]       Ettenhuber, E., K.Gehrcke:

Radiologische Erfassung, Untersuchung und Bewertung bergbaulicher  Altlasten

Abschlußbericht

Bundesamt für Strahlenschutz, Salzgitter 2001.