Götz Altmann
Sächsische Landesstelle für Volkskultur Schneeberg

 

Zur Technologie des Blechschmiedens und Blechverzinnens im 17./18. Jahrhundert

nach der Chronik von Johanngeorgenstadt des Pfarrers Engelschall von 1723

– Beitrag zur Geschichte des sächsischen Eisens

 

Abb. 1

Prospekt der Bergstadt Johanngeorgenstadt, 1. Viertel 18. Jahrhundert,

Kupferstich.

 

Schriftliche Informationen über historische technische Anlagen und Prozesse sowie Technologien aus dem 17. und der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts sind nur in wenigen Quellen im sächsischen Erzgebirge überkommen. Für ihre Nachrichtlichkeit gab es wenig Bedürfnis und Interesse. Das gilt auch für Informationen über den Umgang mit dem Werkstoff Eisen. Deshalb kommt der Quelle für mein Vortragsthema eine besondere Bedeutung zu. Der Chronist Engelschall hat in seiner Chronik „Beschreibung der Exulanten und (sächsischen) Bergstadt Johanngeorgenstadt“, die 1723 in Leipzig zum Druck kam, ausführlich über Eisenverhüttung, Eisenbearbeitung sowie Blechschmieden und verzinnen geschrieben. Zu seinem Kirchspiel gehörte die Eisenhütte Wittigsthal an der böhmischen Grenze, in der er dazu seine Wahrnehmungen machte. Johann Christian Engelschall wurde 1675 in Oelsnitz im Vogtland geboren, studierte an der Universität in Leipzig Theologie und war von 1699 bis zu seinem Tod 1749 Pfarrer in benannter Bergstadt. Soviel als Vorbemerkung.

 

 

Abb. 2

Johanngeorgenstadt bei Nacht mit der Eisenhütte Wittigsthal, um 1820,

kolorierte Radierung von Paul Anton Skerl nach Christian Johann Oldendorp, Kupferstichkabinett Dresden.

 

Das unscheinbare EISEN nahm in der sächsisch-erzgebirgischen Produktions- und Wirtschaftsentwicklung eine vorrangige, beherrschende Stellung ein. Denn nicht an das erzgebirgische Silber oder an das fast ebenso stark beachtete Zinn knüpfte sich die bis fast zur Gegenwart laufende industrielle Entwicklung.

Als historische Eisenlandschaften Sachsens können Teile des mittleren und westlichen Erzgebirges um die Stadt Schwarzenberg sowie die Landschaft um Gottleuba bei Pirna und Gebiete in der Niederlausitz gesehen werden.

Die Gewinnung des Eisens im Erzgebirge ist technisch in zwei Phasen zu unterteilen, in eine direkte Schmiedeeisenerzeugung durch den Rennprozess in Waldschmieden und Hammerhütten bis zum Ende des 16. Jahrhunderts sowie seit nach der Mitte des 16. Jahrhunderts in eine indirekte Schmiedeeisenerzeugung durch den geteilten, meist auch räumlich getrennten Hohofen- und Frischprozess in Eisenhütten bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts.

Außerhalb des eigentlichen Betriebsgeschehens wirkten wichtige Vorbereiche – Waldwirtschaft, Flößerei, Köhlerei, Bergbau, Erzaufbereitung, Fuhrwesen und Landwirtschaft – , die unentbehrlich für das Produzieren von Eisen waren.

Steigender Schmiedeeisenbedarf im 16. Jahrhundert in Handwerk und Gewerbe sowie durch bedingt sich explodierend ausweitenden Bergbau- und Hüttenwesen auf Silber und Zinn, zwang zu Produktionssteigerungen und Einführung neuer Technologien zur Wirtschaftlichkeitserhöhung in Eisenhütten mit Hohöfen (Holzkohlenhochöfen), Frischfeuern und Hammerwerken. Das nach dem Frischen entstandene Schmiedeeisen nannte man Deuleisen oder Zwiegeschmolzenes Eisen (in zwei Verfahren nacheinander geschmolzenes Eisen).

Über die Arbeiter in diesem Montanbereich ist folgendes zu sagen: Die Facharbeiter mussten spezialisiert, aber nicht so hoch qualifiziert sein wie ein zunftgebundener Handwerker, der das Gesamtsortiment seiner handwerklichen Produktion beherrschen musste. Die Eisenarbeiter waren meist zeitlebens auf die spezialisierte Arbeitsorganisation – einer Kooperation am Arbeitsplatz angewiesen. Das Aufrücken im Lohn und in die höhere berufliche Position geschah nach dem Gutbefinden der Betriebsherren. In dieser frühkapitalistischen Produktionsweise sind Elemente des Fabrikcharakters bereits wirksam.

 

Abb. 3

Hohofen (Holzkohlenhochofen), Schematische Schnittdarstellung im „Blasgewölbe“.

 

Abb. 4

Hohofen (Holzkohlenhochofen), Schematische Schnittdarstellung im „Abstichgewölbe“.

 

Der Hohofen, durch Wasserkraft betriebene mechanische Hämmer und Herde mit Blasebälge waren die technisch aufwendigsten und kompliziertesten Anlagen in Eisenhütten.

 

Abb. 5

Frischfeuer, gemauerter Herd mit Esse,

schematische Darstellung der Windführung in einem Frischherd.

 

Abb. 6

Mechanischer Aufwerfhammer in schematischer Darstellung.

 

Abb. 7

Arbeit am Aufwerfhammer des Frischwerkes der Eisenhütte Erla bei Schwarzenberg,

Bildteller aus Meißner Porzellan des „Herder-Service“, um 1830.

 

Abb. 8

Mechanischer Schwanzhammer in schematischer Darstellung.

 

Abb. 9

Schmiedearbeit unter mechanischen Schwanzhämmern,

in: Weigel, Gemeinnützliche Hauptstände, Regensburg, 1698.

 

 

STABHAMMERWERKE waren oft mit den Frischhütten vereinigte Produktionsstätten, die das nunmehr schmied- und schweißbare Eisen zu Halbfabrikaten oder zu Weiterverarbeitung für andere Betriebsabteilungen produzierten. Gefertigt wurden Stabeisen unterschiedlichster Abmessungen, Stabeisen zum Blechschmieden, aber auch Reif-(Reifen-), Kraus-, Facon- und Profileisen in zahlreichen Formen, in unterschiedlichen Querschnitten und Abmessungen.

 

Der Nürnberger Metallhändler Andreas Blau führte 1536/38 im Westerzgebirge eine verbesserte Arbeitsorganisation und Technologie des Blechschmiedens und –verzinnens ein, was sehr große Bedeutung erlangte und im 17./18. Jahrhundert zur wirtschaftlichen Marktbeherrschung in Mitteleuropa führte.

 

Über die Fertigungstechnologie des Blechschmiedens und –verzinnens für das 16. und 17. Jahrhundert sind uns keine schriftlichen Quellen überkommen. Die Aufzeichnungen darüber von dem Johanngeorgenstädter Pfarrer Johann Christian Engelschall geben vortreffliche Informationen, die ich in meinen folgenden Betrachtungen beleuchten möchte.

 

Im BLECHHAMMERWERK geschah die Fertigung der Schwarzbleche. Ausgangsmaterial war dünnes Flachstabeisen mit den Abmessungen von etwa 0,5 m Länge und einem Querschnitt von 54 x 8 mm. In manchen erzgebirgischen Eisenhütten begann der betriebsorganisatorische Prozess der Blechherstellung bereits mit dem Zerschroten des Deuleisens in Abschnitte, genannt Schirbel. Dabei konnte man ungeeignete Schirbel aussortieren, denn die Qualitätsforderungen an das Ausgangsmaterial lagen für Bleche weit höher als für andere Verwendungen. Der nächste Fertigungsschritt war das schrittweise Breiten des Stabeisens durch Schmieden. Um Stabeisen in Blech zu verformen hatte man damals zwei, nach weiterer Arbeitsteilung drei mechanische Schwanzhämmer nötig, den Urwellhammer mit einem Bärgewicht (Hammerkopfgewicht) von ca. 150 kp, schmaler Bahn von etwa 5 cm Breite und 25 cm Länge und leicht gewölbter Ambossfläche; den Ausgleichhammer, einen Breithammer mit einem Bärgewicht von ca. 250 kp, schwach gewölbter Bahn von etwa 20 x 20 (25) cm und einer Ambossfläche von etwa 35 x 35 cm. Später ließ man die Bleche unter einem weiteren Hammer fertig breiten, unter dem Säumungsgleicher, einem kleinen langsam schlagenden mechanischen Schwanzhammer, mit einem Bärgewicht von ca. 100 kp und schwach gewölbter Bahn.

 

In der Blechfertigung schlug man zuerst von Stabeisenstangen Kölbel (Abschnitte) ab und schmiedete diese mit dem Urwellhammer auf etwa 9 cm Breite aus. Die gefertigten sogenannten einseitigen Urwellstürze wurden anschließend gestürzt, das heißt, auf der anderen Seite  ausgeschmiedet. Die entstandenen Blechtafeln schlug man in der Mitte durch Handarbeit zusammen. Infolge der Doppelung ergab jeder Urwellsturzzwei Bleche. Folgend legte man mehrere Urwellstürze aufeinander, erwärmte diese und schmiedete mit dem mechanischen Urwellhammer eine Seite bis auf 15 oder 18 cm aus. Dann wurden die Urwellstürze von der anderen Seite gefaßt, gestürzt, und abermals auf die gleichen Maße ausgeschmiedet. Dieser Prozess war das Gleichen. Jetzt besaßen die Urwellstürze eine Länge von 28 bis 30 cm und eine Breite um 18 cm.

Die Urwellstürze kamen nun in eine Wasseraufschwemmung mit Kohlenstaub, Lehm und Kreide, eine sogenannte Kohlenlösche, die auch die Bezeichnung Hahnebrey oder Hangbrey hatte, um ein Zusammenschweißen der Bleche bei der Weiterverarbeitung zu verhindern.            (4./ Cap. IV.)

Man legte bei Dünnblechen 20 Stück, stärkeren Bodenblechen 12 Stück und für Weißbleche 50 Stück, zu dem Maß einer Zange aufeinander.

            Als Zange beim Blechschmieden bezeichnet man das Fassungsvermögen von Blechtafeln, den Urwellstürzen, in einer besonders ausgeformten Schmiedezange.

            Ein Sturzblechstapel (Urwellstürze) von 4 Zangen wurde Zeche genannt.

Zum Glühen legte man eine Zeche Urwellstürze auf Brechstangen in den Schmiedeherd und überschüttete diese ringsum mit Holzkohlen. Der Glühvorgang dauerte eine halbe bis dreiviertel Stunde.

Mit dem Ausgleichhammer, dem Breithammer, wurde jede Zange Rohbleche drei- bis viermal geschmiedet. Hierzu waren zwei Blechschmiede erforderlich, da der Pack Sturzbleche fortwährend unter dem Hammer gedreht werden musste, damit der mechanische Hammer alle Stellen gleichmäßig traf. Zur Arbeitserleichterung waren neben dem Amboss, links und rechts im Ambossstock, winklig gebogene Eisenstäbe, mit der Bezeichnung Knecht, in gleicher Höhe wie die Ambossfläche befestigt, auf denen die Bleche mit auflagen. Nach jedem Schmieden nahm man die Zange Rohbleche auseinander und ordnete die Urwellstürze um, weil sich die innenliegenden mehr dehnten als die äußeren, die schneller erkalteten. Beim Auseinandernehmen sah man, ob die Bleche auch nicht zusammengeschweißt waren. Mit Handblechscheren, sogenannten Stockscheren, folgte das Beschneiden der Sturzbleche und damit die Beseitigung der Doppelung.

 

 

Abb. 10

Stockschere zum Beschneiden von Blechen,

Holzschnitt, Ausschnitt;

in: Agricola, De re metallica, Basel 1556 (fol. 210).

 

Abb. 11

Mechanisches Scherenwerk, 18. Jahrhundert,

Kupferstich von J. O. Sysang, Ausschnitt;

in: "Kunst Messing zu machen".

Der Gebrauch mechanischer Scheren ist anzunehmen, kann aber

nicht belegt werden.

 

In Fortsetzung der Blechschmiedung folgt ein abschließendes Kaltschmieden mit einem kleinen, langsam schlagenden mechanischen Hammer, den Säumungsgleicher, das der Beseitigung von Zunder und Kohlenlösche, der Werkstoffverfestigung und dem Abrichten der Blechtafeln diente, deren Säume (Ränder) plan gehämmert werden mussten. Lag das Blechmaß um 1550 im Erzgebirge bei 16 x 28 cm, so betrugen die Handelsmaße für Dünnbleche im 17./18. Jahrhundert 0,5 x 0,6 m bis 0,6 x 0,6 m bei Materialstärken von 0,5 bis 1mm. Bodenbleche und Pfannenbleche hatten Materialstärken von 2 mm und mehr.    (7.)                                                                   

 

Abb. 12

Erneuerte und verbesserte Blech-Hammer-Ordnung des Kurfürsten Johann Georg II. zu Sachsen, 1666,

in: Codex Augusteus, Band II, Leipzig, 1724.                                       

 

In der erneuerten und verbesserten Blechhammer-Ordnung des sächsischen Kurfürsten Johann Georg II. vom 23. Mai 1666 wird über die Größe und Qualitätskontrolle von Blechen folgendes ausgesagt:

"...in allen Zien-Häusern sollen die Bleche in einerley Größe, Länge und Breite, nach dem alten Wohnsiedler-Maas (Wunsiedler Maß im Fichtelgebirge) beschnitten, verzienet und verfertiget, auch in iedwedes Amt, darunter der Blech-Hammer gelegen, ein dergleichen eisernes Maaß zur Nachricht in Verwahrung behalten werden, damit, wann dißfalls Mängel und Strittigkeiten fürfallen möchten, man zu derer besserer Entscheidung, sich desselben gebrauchen könne. ..."                                (3./ Band II, S. 335-344)

Das Ausbringen/Produzieren von Blechen betrug etwa 60 % gute Bleche, 30 % waren Abschnitzel durch das Beschneiden, die wieder mittels Schmiedefeuer und mechanischem Hammer eingerennet wurden, sowie noch 10 % Abbrand.

            Einrennen bedeutet in diesem Fall Feuerschweißen der Abschnitzel (Abfälle) zu wieder verarbeitungsfähigem Schmiedeeisen.

 

Für die Schwarzblechfertigung verwendete man ein zähes gutes Schmiedeeisen.

 

 

Abb. 13

Skizzenblatt aus den handschriftlichen Aufzeichnungen des Eisenhüttenschreibers

Christoph Horrbach, 1673.

Die Textangaben sind durch zwei verschiedene Handschriften gekennzeichnet.

Skizziert sind rechts ein Blechfeuer mit 2 Kastenblasebälgen zum Glühen der Kölbel,

Stürze und Bleche und links ein Zinnschmelzofen für die Blechverzinnung mit dem

Tropfgestell. Die Darstellungen beziehen sich auf die Eisenhütte des Grafen Solms in Mittelschmiedeberg bei Annaberg.

Auszüge aus dem deutschen Textteil des Skizzenblattes:

            "In ein Blechschmiede sind 4 Arbeiter, nehmlich Meister, 2 Gezellen und ein Junge. Die Hammers werden alle Tage ausgewächselt, der Kleine womit erst das Eisen ausgeschmiedet wird wiegt 3 Centner: und der andere 5 á 6 Centner womit die Bleche verfertiget werden. Dieser Auswechselung gehet sehr geschwind, und dauert nicht über 1/2 Viertelstunde, unther welcher Zeith dass frisch Eisen oder die Blech gewärmt wird.

                Schmideberg zwischen Mariaberg und Annaberg hatt 2 Bleckhammers und (ge)höret Graf      Solms zu. Ein Bleckschmid machet wochentlich 6 kleine Fässlein á 300 Blatt. Vor ein Schock (60 Stück) Bleck bekomt Arbeitslohn 1 Tr  15 ggr.

            ...Die Bleche sind in (rechteckiger Form,) Länge die gedobbelte 16 Zoll und die Breithe 12 Zoll weniger eine Linie. Einfache, 13 Zoll  2 1/2 Linie und Breithe 9 1/2 Zoll. Auf ein Schoch Enckel zehlt man 120 Blatt 1 Schock gedobbelt 60 Blatt. ..." [1 Zoll = 2,3 – 3 cm / 1 Inch = 2,54 cm]

Auszüge aus dem schwedischen Textteil, in deutscher Übersetzung:

            "Über dem Blechherd sind 3 Eisenstangen gelegt, auf welche die Bleche in 4 Haufen zu 60 Stück gestapelt werden. Sie sind mit Holzkohlen zu erhitzen und dann zu schmieden."

Das Original des Skizzenblattes befindet sich im schwedischen National-Archiv Stockholm.                                                                               (2./S. 146 und 148)

 

Abb. 14

Textblatt aus der Chronik von Johanngeorgenstadt des Pfarrers Engelschall über das Blechschmieden, 1723.

 

Chronist Engelschall beschreibt das Blechschmieden in der Eisenhütte Wittigsthal wie folgt:

            Aus der Frischhütte übernimmt der Blechmeister die Abschnitte Schirbel  ".../ welcher dieselben nachdem sie wieder heiß / zerschrotet / und Stangen daraus machet / oder es zehnet / d.i. auszieht. So dann wird der große Hammer ausgeworffen / und ein Kleinerer eingelegt / durch welchen man urwehlet / oder auswehlet / das ist / die Stangen in Stücke zerhauet / welche zu Blechen auserwehlet seyn sollen. Diese nun / indem sie vom Hammer herunter fallen / hebt ein Junge auf / und leget solche ins Feuer / so man das Kölbel-Aufheben nennet. Ferner werden dergleichen Stücke oder Stürzlein etwas breit geschmiedet / und weg geleget / biß sie mit denen andern fertig sind. Dann kommen selbige abermahl ins Feuer / und werden auf die andere Seite breit gemachet / welches richten heisset / worbey man sie doppelt zusammenschläget und nochmahln ins Feuer thut. Hierauf nehmen sie 2. Stürzlein zusammen / und die eine Helffte von den Zusammen Geschlagenen wird unter dem  Hammer / eine Handbreit gleichfalls unter dem Hammer so weit gestrecket / hiermit auch so lange contnuieret / biß es genug ist / welches Gleichen genennet wird. Ist nun dieses geschehen nimmt man 4 mahl 48. Stürzlein zusammen / schiebt sie über das Feuer auf eiserne Stangen / daß solche glühend werden / und damit sie nicht zusammenschweißen oder hangen / stecket man solche in Haan- oder vielmehr Hangbrey / leget 28. Stürzlein in der Zange unter den Hammer / biß sie 1/4 breit geschlagen / und nachdem sie noch zu dreyen mahlen ins Feuer gethan / die rechte Breite erlangen. Letzlich werden die Bleche in der Hütte beschnitten / und in Schocke gezehlet / kommen laulicht unter den Hammer und werden abgerichtet. ..."            (4./Cap. IV.)

 

Manchen Blechhammerwerken waren Pfannenschmiedereien angegliedert, wie es der Chronist Meltzer 1694 von der Eisenhütte "Auerhammer", heute Stadt Aue, berichtet.            (9./S. 163)

 

Abb. 15

Schmiedeeiserne Tür aus handgeschmiedeten Sturzblechen gefügt,

Verfertiger Zacharias Georgi / Schwarzenberg, um 1710/20,

Stadtkirche St. Georgen Schwarzenberg.

 

 

In der ZINNEREI, der VERZINNEREI oder auch ZINNWERK genannt, beruhte das technologische Verfahren der Metallbeschichtung auf Eintauchen, Metalltauchen, der geschmiedeten, geätzten und gereinigten Schwarzblechtafeln in ein Bad mit flüssigem Zinn.

Technischer Vorgang:

Die Schwarzbleche wurden gebeizt mittels einer gesäuerten Beize aus Roggenkleie, die die Oberflächenverunreinigungen wie Zunder, Fett und Oxidation (Rost) beseitigte. Der Beizvorgang dauerte ca. 3 Tage. Dieses Beizmittel, eine organische Säure, entstand durch Gärung. In der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts gehen die Bemühungen in einzelnen westerzgebirgischen Eisenhütten dahin, billigere Beizmittel, wie Holzessig oder Kartoffelbeize, zum Einsatz zu bringen. Eine Verbesserung des Beizprozesses konnte damit nicht erzielt werden.  

Die Reinigung der gebeizten Schwarzbleche auf der Reibebank geschah mit Sand und Wasser. Um das Oxidieren der gebeizten und gereinigten Bleche zu verhindern, wurden diese bis zur Weiterverarbeitung in Wasserbehältern, Wassertrögen, aufbewahrt. Zum Abtrocknen der gewässerten Bleche wurden Sägespäne von Laubhölzern verwendet, da diese kein Harz enthalten. Um das Verdampfen des in der Zinnpfanne geschmolzenen, teuren Zinns zu verhüten, bedeckte man es mit geschmolzenem Unschlitt (Rindertalg). Dieser hatte eine verhältnismäßig hohe Verbrennungstemperatur, die bei ca. 290°C lag. Das Tauchen einer Zange Schwarzbleche, meist 100 Stück, in das Zinnbad mit dem Unschlittüberzug, dauerte ca. 1/4 bis 1/2 Stunde.

In einer anderen Quelle ist eine viel längere Zeiten (bis zu 3 Stunden) angegeben, die kaum Wahrscheinlichkeit haben kann.

 

Für das Zinnbad verwendete man geschmiedete Pfannen aus Kupfer- oder Schwarzblech, hergestellt aus sogenanntem Pfannenblech, mit den Abmessungen Länge 50 cm, Breite 40 cm, Tiefe 50 cm. Erst im ausgehenden 17. Jahrhundert kamen gusseiserne Zinnpfannen in Gebrauch.

Die sich an der Oberfläche des Zinns in der Zinnpfanne absetzenden Verunreinigungen wurden öfter abgezogen und durch schwimmendes Unschlitt gering gehalten. Durch das teilweise Verbrennen und Verdampfen von Unschlitt entstanden im Zinnraum und auch in dessen Umgebung penetrante Dünste. Nach der Abkühlung auf Gestellen, auf denen anhaftender Talg sich sammelte, wurden die verzinnten Bleche umsortiert und ein zweites Mal, im Zinnbad mit weniger schwimmendem Unschlitt (Talg/tierisches Fett), verzinnt. Der unten an den Blechtafeln anhaftende oft ziemlich dicke Zinnsaum schmolz bei erneutem Eintauchen in einem weiteren kleinen Zinnbad, genannt Abwerfpfännel, ab. Zu den letzten Arbeitsgängen gehören das Abputzen und Polieren der Weißblechtafeln mit einem Gemenge von Schlemmkreide, Kleie und Werg; dann folgte das Abwischen mit Tüchern. Notwendig war oft noch das Klopfen der Weißblechpakete mit einem Holzschlägel auf dem Klopfstock, um Beulen auszugleichen. Die Weißbleche der erzgebirgischen Hammer- und Eisenhütten waren Halberzeugnisse.

 

Dem Skizzenblatt (Abbildung 12) des Eisenhüttenschreibers Christoph Horrbach ist weiter aus seinen handschriftlichen Aufzeichnungen von 1673 über das Blechverzinnen zu entnehmen:

Im deutschen Textteil ist dazu geschrieben:

            "...Der Zienner bekomt vor 300 Blätter 1 Tr und vor ein dobbel Fässlein á 450 Blatt 3 Tr, aber da mag ehr alles selbst halten mit Arbeitslohn, Betz (Beize) Inselt (Talg), Kohl (Kohlen) etc.

            Vor ein Schock Kohl bezahlt der Zienner sein(em) Herr(en) nicht mehr als 12 Tr. ..."

Die Übersetzung des schwedischen Textteiles vermittelt dazu:

            "...Die (Schwarz-)Bleche werden in einer Pfanne (im Zinnofen), die gefüllt ist mit (flüssigem) Zinn und einer Zugabe von Kupfer, bis zum Saum (Rand) einzeln eingetaucht und 1/4 Stunde erwärmend behandelt. Mit einem speziellen Haken werden (die verzinnten Bleche) auf ein Gestell (zum Abtropfen) gestellt. ..."                   (2./S. 146 und 148)

 

Verwendung fanden die Weißbleche des Erzgebirges für Dachungen, Klempnerwaren und Gerätschaften. Der Versand von Weißblechtafeln geschah in Fässern, je 300 bis 450 Stück. Ausschussbleche wurden stückweise abgegeben.

Qualitätsmerkmale für Weißbleche:

- gleichmäßig geschmiedet,

- sauber beschnitten,

- gut gebeizt und gleichmäßig sauber verzinnt.

  Merkmale für Ausschuss-Weißbleche:

- Zinnüberzug haftet schlecht, ist blättrig,

- Blasenbildung des Zinns,

- unsauberer Zinnsaum und über einen Finger breit.      (10./ S. 97)

 

 

Abb. 16

Textblatt aus der Chronik von Johanngeorgenstadt des Pfarrers Engelschall über das Blechverzinnen, 1723.

 

In der Chronik von Johanngeorgenstadt schreibt Engelschall über das Verzinnen von Blechen in der Eisenhütte Wittigsthal:

            "...Wie aber die guten Bleche verzinnet werden / also ist nöthig / auch von dieser Hammer-Verrichtung etwas zu melden. Man schneidet nemlich zuförderst die Bleche ins Zinn-Maaß / leget solche in die Peitze / so aus Korn und Wasser bestehet / und weil es stets in der Wärme             gehalten wird / eine Säuer bekömmt / worinnen sie 3. Tage stecken. Hiernächst reibet man sie mit Sand ab / und leget solche ins Wasser / biß sie in die Pfanne kommen / wo dem Zinn etwas Kupffer und Unschlitt zugesetzet wird. Man setzet aber zuerst 100. Blatt auf einmahl ein / und bleibet etwan 1/4 Stunde darinnen / werden sodann heraus genommen / und nachdem man solche zum andern mahl hinein gethan / und einzeln herausgezogen /  kommen sie ferner also eintzeln in den Unterschied der Pfannen / wo das Zinn rein gehalten wird / man setzet solche aber sofort wieder aus / wischet das Unschlitt mit Seegespäne ab / wirfft solche ab / oder machet die Säume daran / wischet sie zu zweyen mahlen mit Kleuen / klopffet dieselben halb hundert weise mit einem eisernen Hammer gleich / und überfähret solche mit einem Hader / biß sie recht rein. Endlich durchsiehet der Zinner die Bleche / sortirt jedes / und zehlet in die Fäßgen / da denn viererley Sorten / und zwar erstlich Creutz / so die stärksten Bleche / wovon 450. Blat in ein Faß kommen / so an Leipziger Gewicht 234. Pfund haben müssen. Hiernechst die Fuder / so 450. Blat halten / und denn der Ausschuß / das ist        die Bleche / die Schiefer und Ritze haben / und diese werden eintzeln oder Fäßleinsweise verkaufft. ..."                                                                 (4./Cap. IV., S. 287-288)

                        Engelschall gibt zwar vier Blechsorten an, beschreibt aber nur drei.

 

Abb. 17

Zinnereigebäude einer erzgebirgischen Eisenhütte für Schwarzblechverzinnung, 18. Jahrhundert, Rekonstruktion,

Zeichnung G. Altmann.

Im Erdgeschoss lagen die Arbeitsräume.

1         Beizstube, gewölbter Raum, Beizkessel/Beizpfanne, Auspresskessel für die Beizenherstellung, Ofen, Wassertrog.

2         Zinnstube, Zinnpfanne mit Herd, Tropfgestelle/Regale.

3         Hausflur.

4         Reibestube/Wischstube, Sortierung, Verpackung, Reibebänke/Reibetische, Klopfstock, Schleifstein, Kleie- und Sägespänekisten, Ofen, Verpackungsfässer, Brenn- und Schlageisen für die Markenzeichen.

5         Lager- und Abstellraum.

6         Holzkohlenschuppen.

Im Obergeschoss befanden sich die Wohnräume für die Familien des Zinnmeisters und seiner Zinnereiarbeiter. Unter dem Dach befanden sich die Schlafkammern.

 

 

Neben der Blechverzinnung übernahmen vereinzelt die Zinnereien der Hammer- und Eisenhütten auch Verzinnungsarbeiten von Flaschnerwaren, Fenster- und Türbeschlägen, Zaumzeug, Schlossererzeugnissen und anderem. 

                                                            (4./Cap. IV.)  (6./S. 182-183)  (7./ S. 142)            

"Des Kupferschmiedemeisters Ludwig Kleinhempel Hauschronik" in der Bergstadt Annaberg vermerkt für das Jahr 1666 über die Verwendung von Weißblechtafeln:

"...Den 28. August haben sie an den Capellen den Turm (St. Annenkirche das Dachreitertürmchen eines Seitenschiffes) angefangen mit weißem Blech (verzinntem Eisenblech/Weißblech) zu decken. So ist 4 Fäßlein und 100 Blatt darzu kommen bis auf den Wetterboden...."                                                (5./S. 55)

Die erzgebirgischen geschmiedeten Bleche waren vor allem durch ihre Güte und Gleichmäßigkeit berühmt und geschätzt. Die Bleche mit Markenzeichen hatten Ende des 17. Jahrhunderts Weltruf und waren begehrte Handelsobjekte. Jeder Hammer- und Eisenhüttenherr war verpflichtet, die Fassböden der Weißblechfässer mit seiner beim kurfürstlichen Kreisamt und der Hammerinspektion eingetragenen Hammer- oder Eisenhüttenmarke zu kennzeichnen.

Die Bleche mit den Markenzeichen Einhorn, Hengst und Krone; der Eisenhütten des Johann Korb / Arnoldshammer (Rittersgrün), Michael Gottschaldt / Wildenthal und Veit Hans Schnorr d.J. / Neidhardtsthal; hatten Ende des 17. Jahrhunderts Weltruf und waren begehrte Handelsobjekte.  (8.)

 

 

Abb. 18   Beispiele von Stabeisen- und Blechmarkenzeichen

 

Blechmarke der Eisenhütte „Arnoldshammer“ Rittersgrün, Eisenhüttenherr Johann Korb, um 1660.  Stabeisenmarke der Eisenhütte „Arnoldshammer“ Rittersgrün, Eisenhüttenherr Johann Augus tvon Elterlein, 1760.
Blechmarke der Eisenhütte Auerhammer, Eisenhüttenherr Veit Hans Schnorr, 1663. Stabeisenmarke der Eisenhütte des Eisenhütten-herren Georg Friedrich Viehweg, 1763.
Blechmarke der Eisenhütte Unterblauenthal (Blauenthal),Eisenhüttenherr Heinrich Siegel, 1660. Stabeisenmarke „Kleeblatt“ der Eisenhütte Unterblauenthal (Blauenthal), 1660/1780.

   

Durch die Einführung des Blechwalzens in Deutschland ab 1769 durch Heinrich Wilhelm Remy in der Rasselsteiner Eisenhütte bei Neuwied (am Rhein, nördlich von Koblenz) in der Grafschaft Wied veraltete auch im Erzgebirge die durch den Chronisten Engelschall beschriebene Technologie des Blechschmiedens. Versuche, das Blechwalzen im Erzgebirge zu Beginn des 19. Jahrhunderts einzuführen, scheiterten in verschiedenen Eisenhütten. Erst 1827 gelang es Carl Gotthelf Nestler, als erstem in Sachsen in seiner Eisenhütte Wittigsthal bei Johanngeorgenstadt, nach mehrmaligen Versuchen aus Stabeisen Bleche mit einem Duo-Walzwerk im Warmumformen herzustellen. Antriebsmittel war die Wasserkraft.

 

Ehemals Schrittmacher frühkapitalistischen Produzierens seit dem 2. Viertel des 16. Jahrhunderts, konnte das erzgebirgische Eisenhüttenwesen in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts sich der industriellen Revolution und den neuen Betriebs- und Wirtschaftsformen nicht anpassen und die erforderlichen neuen Organisationsgrundlagen nicht aufbauen. Das brachte den Eisenhütten sowie den Produktionen geschmiedeter Bleche den Untergang.

 

 

Quellenverzeichnis

1.

Altmann, Götz: Erzgebirgisches Eisen / Geschichte – Technik – Volkskultur,

in: Reihe „Weiss-Grün 15“, Schneeberg und Dresden, 1999.

 

2.

Autorengemeinschaft: Iron and Stell an the European Market in the 17th Century, The Historical Metallurgy Group of the Swedish Ironmasterns´ Association,

Stockholm, 1982.

 

3.

Codex Augusteus,

Herausgegeben von Johann Christian Lünig,

Leipzig, 1724, Teil I, 1772-1806 Fortsetzung I/II (4 Bände), 1824 Fortsetzung III (1 Band).

 

4.

Engelschall, Johann Christian : Beschreibung der Exulanten- und Bergstadt Johanngeorgenstadt,

Leipzig, 1723.

 

5.

Harms zum Spreckel, Heinrich: Des Kupferschmiedemeisters Ludwig Kleinhempel Hauschronik,

in: Mitteilungen des Vereins für Geschichte von Annaberg und Umgebung, 16. Jahrbuch, fünfter Band,

Annaberg, 1927

 

6.

Hofmann: Abhandlung über die Eisenhütten,

Hof, 1783.

 

7.

Matthes, Erich: Eibenstock unter Andreas Blau,

Manuskript, um 1955, Museum Schloss Schwarzenberg.

 

8.

Matthes, Erich: Alte Eisenhütten- und Waffenschmiedemarken des sächsischen Erzgebirges,

in: Glückauf – Zeitschrift des Erzgebirgsvereins, Heft 10 und 11,

Schwarzenberg, 1939, S. 219-224 und 239-242.

 

9.

Meltzer, Christian: Historia Schneebergensis Renovata ...,

Schneeberg, 1716.

 

10.

Schmidt, Roland: Technik und Gemeinschaftsleben dargestellt am Beispiel der Hammerwerke des Amtes Schwarzenberg 1650-1850, Diplomarbeit, Humboldt-Universität zu Berlin – Bereich Ethnographie, Berlin, 1970.

  

Sächsisches Hauptstaatsarchiv Dresden

 

Loc. 11106

Die Blechfabriken in hiesigen Landen und den Handel mit diesen Fabrikaten überhaupt betr., 1769-1790.

 

Loc. 34968

Verzeichnis der Blech-, Frisch- und Stabfeuer, 1710.

 

Loc. 36157

Blechkompanie und feste Hand, 1681.

 

Loc. 36159

Blechkompanie und feste Hand, 1681-1720.

 

Loc. 36160

Erzgebirgische Hammerwerke (Eisenhütten) betr., um 1720-1780.

Kommissionsbericht über Blechtransporte vom Westerzgebirge nach Leipzig u. a., 1773.

Blechhandel, Kosten, Geleitsgelder, Blechfabriquen, um 1770-1777.

 

Loc. 36170

Blechfabrikation in der Eisenhütte Rothenthal betr. (2. Hälfte 18. Jahrhundert).

  

 

                                               [Text für eine tschechische Übersetzungmöglichkeit]

 

Götz Altmann                Sächsische Landesstelle für Volkskultur Schneeberg

 

Zur Technologie des Blechschmiedens und Blechverzinnens im 17./18. Jahrhundert

nach der Chronik von Johanngeorgenstadt des Pfarrers Engelschall von 1723

– Beitrag zur Geschichte des sächsischen Eisens

 

Abb. 1

Prospekt der Bergstadt Johanngeorgenstadt, 1. Viertel 18. Jahrhundert,

Kupferstich.

 

Schriftliche Informationen über historische technische Anlagen und Prozesse sowie Technologien aus dem 17. und der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts sind nur in wenigen Quellen im sächsischen Erzgebirge überkommen. Für ihre Nachrichtlichkeit gab es wenig Bedürfnis und Interesse. Das gilt auch für Informationen über den Umgang mit dem Werkstoff Eisen. Deshalb kommt der Quelle für mein Vortragsthema eine besondere Bedeutung zu. Der Chronist Engelschall hat in seiner Chronik „Beschreibung der Exulanten und (sächsischen) Bergstadt Johanngeorgenstadt“, die 1723 in Leipzig zum Druck kam, ausführlich über Eisenverhüttung, Eisenbearbeitung sowie Blechschmieden und verzinnen geschrieben. Zu seinem Kirchspiel gehörte die Eisenhütte Wittigsthal an der böhmischen Grenze, in der er dazu seine Wahrnehmungen machte. Johann Christian Engelschall wurde 1675 in Oelsnitz im Vogtland geboren, studierte an der Universität in Leipzig Theologie und war von 1699 bis zu seinem Tod 1749 Pfarrer in benannter Bergstadt.

Soviel als Vorbemerkung.

 

Abb. 2

Johanngeorgenstadt bei Nacht mit der Eisenhütte Wittigsthal, um 1820,

kolorierte Radierung von Paul Anton Skerl nach Christian Johann Oldendorp, Kupferstichkabinett Dresden.

 

Das unscheinbare EISEN nahm in der sächsisch-erzgebirgischen Produktions- und Wirtschaftsentwicklung eine vorrangige, beherrschende Stellung ein. Denn nicht an das erzgebirgische Silber oder an das fast ebenso stark beachtete Zinn knüpfte sich die bis fast zur Gegenwart laufende industrielle Entwicklung.

Als historische Eisenlandschaften Sachsens können Teile des mittleren und westlichen Erzgebirges um die Stadt Schwarzenberg sowie die Landschaft um Gottleuba bei Pirna und Gebiete in der Niederlausitz gesehen werden.

Die Gewinnung des Eisens im Erzgebirge ist technisch in zwei Phasen zu unterteilen, in eine direkte Schmiedeeisenerzeugung durch den Rennprozess in Waldschmieden und Hammerhütten bis zum Ende des 16. Jahrhunderts sowie seit nach der Mitte des 16. Jahrhunderts in eine indirekte Schmiedeeisenerzeugung durch den geteilten, meist auch räumlich getrennten Hohofen- und Frischprozess in Eisenhütten bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts.

Außerhalb des eigentlichen Betriebsgeschehens wirkten wichtige Vorbereiche – Waldwirtschaft, Flößerei, Köhlerei, Bergbau, Erzaufbereitung, Fuhrwesen und Landwirtschaft – , die unentbehrlich für das Produzieren von Eisen waren.

Steigender Schmiedeeisenbedarf im 16. Jahrhundert in Handwerk und Gewerbe sowie durch bedingt sich explodierend ausweitenden Bergbau- und Hüttenwesen auf Silber und Zinn, zwang zu Produktionssteigerungen und Einführung neuer Technologien zur Wirtschaftlichkeitserhöhung in Eisenhütten mit Hohöfen (Holzkohlenhochöfen), Frischfeuern und Hammerwerken. Das nach dem Frischen entstandene Schmiedeeisen nannte man Deuleisen oder Zwiegeschmolzenes Eisen (in zwei Verfahren nacheinander geschmolzenes Eisen).

Über die Arbeiter in diesem Montanbereich ist folgendes zu sagen: Die Facharbeiter mussten spezialisiert, aber nicht so hoch qualifiziert sein wie ein zunftgebundener Handwerker, der das Gesamtsortiment seiner handwerklichen Produktion beherrschen musste. Die Eisenarbeiter waren meist zeitlebens auf die spezialisierte Arbeitsorganisation – einer Kooperation am Arbeitsplatz angewiesen. Das Aufrücken im Lohn und in die höhere berufliche Position geschah nach dem Gutbefinden der Betriebsherren. In dieser frühkapitalistischen Produktionsweise sind Elemente des Fabrikcharakters bereits wirksam.

 

Abb. 3

Hohofen (Holzkohlenhochofen), Schematische Schnittdarstellung im „Blasgewölbe“.

 

Abb. 4

Hohofen (Holzkohlenhochofen), Schematische Schnittdarstellung im „Abstichgewölbe“.

 

Der Hohofen, durch Wasserkraft betriebene mechanische Hämmer und Herde mit Blasebälge waren die technisch aufwendigsten und kompliziertesten Anlagen in Eisenhütten.

 

Abb. 5

Frischfeuer, gemauerter Herd mit Esse,

schematische Darstellung der Windführung in einem Frischherd.

 

Abb. 6

Mechanischer Aufwerfhammer in schematischer Darstellung.

 

Abb. 7

Arbeit am Aufwerfhammer des Frischwerkes der Eisenhütte Erla bei Schwarzenberg,

Bildteller aus Meißner Porzellan des „Herder-Service“, um 1830.

 

Abb. 8

Mechanischer Schwanzhammer in schematischer Darstellung.

 

Abb. 9

Schmiedearbeit unter mechanischen Schwanzhämmern,

in: Weigel, Gemeinnützliche Hauptstände, Regensburg, 1698.

 

 

 

STABHAMMERWERKE waren oft mit den Frischhütten vereinigte Produktionsstätten, die das nunmehr schmied- und schweißbare Eisen zu Halbfabrikaten oder zur Weiterverarbeitung für andere Betriebsabteilungen produzierten. Gefertigt wurden Stabeisen unterschiedlichster Abmessungen, Stabeisen zum Blechschmieden, aber auch Reif-(Reifen-), Kraus-, Facon- und Profileisen in zahlreichen Formen, in unterschiedlichen Querschnitten und Abmessungen.

 

Der Nürnberger Metallhändler Andreas Blau führte 1536/38 im Westerzgebirge eine verbesserte Arbeitsorganisation und Technologie des Blechschmiedens und –verzinnens ein, was sehr große Bedeutung erlangte und im 17./18. Jahrhundert zur wirtschaftlichen Marktbeherrschung in Mitteleuropa führte.

 

Über die Fertigungstechnologie des Blechschmiedens und –verzinnens für das 16. und 17. Jahrhundert sind uns keine schriftlichen Quellen überkommen. Die Aufzeichnungen darüber von dem Johanngeorgenstädter Pfarrer Johann Christian Engelschall geben vortreffliche Informationen, die ich in meinen folgenden Betrachtungen beleuchten möchte.

 

 

Im BLECHHAMMERWERK geschah die Fertigung der Schwarzbleche. Ausgangsmaterial war dünnes Flachstabeisen mit den Abmessungen von etwa 0,5 m Länge und einem Querschnitt von 54 x 8 mm. In manchen erzgebirgischen Eisenhütten begann der betriebsorganisatorische Prozess der Blechherstellung bereits mit dem [Zerschroten] Zerteilen des [Deuleisens] gefrischten Schmiedeeisens in Abschnitte [Schirbel]. Dabei konnte man ungeeignete [Schirbel] Abschnitte aussortieren, denn die Qualitätsforderungen an das Ausgangsmaterial lagen für Bleche weit höher als für andere Verwendungen. Der nächste Fertigungsschritt war das schrittweise Breiten des Stabeisens durch Schmieden. Um Stabeisen in Blech zu verformen hatte man damals zwei, nach weiterer Arbeitsteilung drei mechanische Schwanzhämmer nötig, [den Urwellhammer] einen mit einem [Bärgewicht] Hammerkopfgewicht von ca. 150 kp, schmaler Bahn von etwa 5 cm Breite und 25 cm Länge und leicht gewölbter Ambossfläche; dann den mechanischen Ausgleichhammer, einen Breithammer mit einem Hammerkopfgewicht von ca. 250 kp, schwach gewölbter Bahn von etwa 20 x 20 (25) cm und einer Ambossfläche von etwa 35 x 35 cm. Später ließ man die Bleche unter einem weiteren Hammer fertig breiten [unter dem Säumungsgleicher] einem kleinen langsam schlagenden mechanischen Schwanzhammer, mit einem Hammerkopfgewicht von ca. 100 kp und schwach gewölbter Bahn.

 

In der Blechfertigung schlug man zuerst von Stabeisenstangen [Kölbel] Abschnitte ab und schmiedete diese mit dem Urwellhammer auf etwa 9 cm Breite aus. Die gefertigten sogenannten einseitigen [Urwell-] Stürze wurden anschließend gestürzt, das heißt, auf der anderen Seite  ausgeschmiedet. Die entstandenen Blechtafeln schlug man in der Mitte durch Handarbeit zusammen. Infolge der Doppelung ergab jeder [Urwell-] Sturzzwei Bleche. Folgend legte man mehrere [Urwel]Stürze aufeinander, erwärmte diese und schmiedete mit dem mechanischen [Urwell-] Hammer eine Seite bis auf 15 oder 18 cm aus. Dann wurden die [Urwell-] Stürze von der anderen Seite gefaßt, gestürzt, und abermals auf die gleichen Maße ausgeschmiedet. Dieser Prozess war das Gleichen. Jetzt besaßen die [Urwell-] Stürze eine Länge von 28 bis 30 cm und eine Breite um 18 cm.

Die [Urwell-] Stürze kamen nun in eine Wasseraufschwemmung mit Kohlenstaub, Lehm und Kreide, eine sogenannte Kohlenlösche, um ein Zusammenschweißen der Bleche bei der Weiterverarbeitung zu verhindern.            (4./ Cap. IV.)

Man legte bei Dünnblechen 20 Stück, stärkeren Bodenblechen 12 Stück und für Weißbleche 50 Stück, zu dem Maß einer Zange aufeinander.

            Als Zange beim Blechschmieden bezeichnet man das Fassungsvermögen von                                     Blechtafeln, den Urwellstürzen, in einer besonders ausgeformten Schmiedezange.

            Ein Sturzblechstapel [Urwellstürze] von 4 Zangen wurde Zeche genannt.

Zum Glühen legte man eine Zeche Urwellstürze auf Brechstangen in den Schmiedeherd und überschüttete diese ringsum mit Holzkohlen. Der Glühvorgang dauerte eine halbe bis dreiviertel Stunde.

Mit dem Ausgleichhammer, dem Breithammer, wurde jede Zange Rohbleche drei- bis viermal geschmiedet. Hierzu waren zwei Blechschmiede erforderlich, da der Pack Sturzbleche fortwährend unter dem Hammer gedreht werden musste, damit der mechanische Hammer alle Stellen gleichmäßig traf. Zur Arbeitserleichterung waren neben dem Amboss, links und rechts im Ambossstock, winklig gebogene Eisenstäbe, mit der Bezeichnung Knecht, in gleicher Höhe wie die Ambossfläche befestigt, auf denen die Bleche mit auflagen. Nach jedem Schmieden nahm man die Zange Rohbleche auseinander und ordnete die Urwellstürze um, weil sich die innenliegenden mehr dehnten als die äußeren, die schneller erkalteten. Beim Auseinandernehmen sah man, ob die Bleche auch nicht zusammengeschweißt waren. Mit Handblechscheren, sogenannten Stockscheren, folgte das Beschneiden der Sturzbleche und damit die Beseitigung der Doppelung.

 

Abb. 10

Stockschere zum Beschneiden von Blechen,

Holzschnitt, Ausschnitt;

in: Agricola, De re metallica, Basel 1556 (fol. 210).

 

Abb. 11

Mechanisches Scherenwerk, 18. Jahrhundert,

Kupferstich von J. O. Sysang, Ausschnitt;

in: "Kunst Messing zu machen".

Der Gebrauch mechanischer Scheren ist anzunehmen, kann aber

nicht belegt werden.

 

In Fortsetzung der Blechschmiedung folgt ein abschließendes Kaltschmieden mit einem kleinen, langsam schlagenden mechanischen Hammer, den Säumungsgleicher, das der Beseitigung von Zunder und Kohlenlösche, der Werkstoffverfestigung und dem Abrichten der Blechtafeln diente, deren Säume (Ränder) plan gehämmert werden mussten. Lag das Blechmaß um 1550 im Erzgebirge bei 16 x 28 cm, so betrugen die Handelsmaße für Dünnbleche im 17./18. Jahrhundert 0,5 x 0,6 m bis 0,6 x 0,6 m bei Materialstärken von 0,5 bis 1mm. Bodenbleche und Pfannenbleche hatten Materialstärken von 2 mm und mehr.    (7.)                                                                   

 

Abb. 12

Erneuerte und verbesserte Blech-Hammer-Ordnung des Kurfürsten Johann Georg II. zu Sachsen, 1666,

in: Codex Augusteus, Band II, Leipzig, 1724.                                       

 

In der erneuerten und verbesserten Blechhammer-Ordnung des Kurfürsten Johann Georg II. vom 23. Mai 1666 wird über die Größe und Qualitätskontrolle von Blechen folgendes ausgesagt:

"...in allen Zinn-Häusern sollen die Bleche in einerlei Größe, Länge und Breite, nach dem alten Wunsiedler Maß (Stadt im Fichtelgebirge) beschnitten, verzinnet und verfertiget, auch in dem zuständigen kurfürstlichen Amt, darunter das Blech-Hammerwerk gelegen, ein dergleichen Blech-Maß zur Nachricht in Aufbewahrung gegeben werden, damit, wenn  Mängel und Streitigkeiten vorfallen, man zur besseren Entscheidung, diese hinzuziehen könne. ..."            (3./ Band II, S. 335-344)

 

Das Ausbringen/Produzieren von Blechen betrug etwa 60 % gute Bleche, 30 % waren Abschnitzel durch das Beschneiden, die wieder mittels Schmiedefeuer und mechanischem Hammer zu neuem Rohmaterial/Schmiedeeisen durch Feuerschweißen verarbeitet wurden, sowie noch 10 % Abbrand (Materialverlust).

Für die Schwarzblechfertigung verwendete man ein zähes gutes Schmiedeeisen.

 

 

Abb. 13

Skizzenblatt aus den handschriftlichen Aufzeichnungen des Eisenhüttenschreibers

Christoph Horrbach, 1673.

Die Textangaben sind durch zwei verschiedene Handschriften gekennzeichnet.

Skizziert sind rechts ein Blechfeuer mit 2 Kastenblasebälgen zum Glühen der Kölbel,

Stürze und Bleche und links ein Zinnschmelzofen für die Blechverzinnung mit dem

Tropfgestell. Die Darstellungen beziehen sich auf die Eisenhütte des Grafen Solms in Mittelschmiedeberg bei Annaberg.

Auszüge aus dem deutschen Textteil des Skizzenblattes:

            "In einer Blechschmiede sind 4 Arbeiter, nämlich 1 Meister, 2 Gesellen und ein

            Lehrling. Die Hammerköpfe werden alle Tage ausgewächselt, der kleine womit erst das Eisen ausgeschmiedet wird wiegt 3 Centner: und der andere 5 bis 6 Centner, womit die Bleche verfertiget werden. Diese Auswechselung gehet sehr geschwind, und dauert nicht über 1/2 Viertelstunde, während dieser Zeit das gefrischte Schmiede-Eisen oder die Blech gewärmt werden.

                Schmiedeberg zwischen Marienberg und Annaberg hatt 2 Blechhammerwerke und gehören dem Grafen Solms. Ein Blechschmied machet wöchentlich 6 kleine Fässlein á 300 Blatt. Für ein Schock (60 Stück) Bleche bekommt er Arbeitslohn von 1 Taler und 15 Groschen.

            ...Die Bleche sind in (rechteckiger Form,) Länge die gedoppelte 16 Zoll und die Breithe 12 Zoll weniger eine Linie. Einfache, 13 Zoll  2 1/2 Linie und Breite 9 1/2 Zoll. Aus einem   Schock gedoppelter Bleche zählt man nach dem Beschneiden 120 Blatt Einzelbleche..."

                [1 Zoll = 2,3 – 3 cm / 1 Inch = 2,54 cm]

Auszüge aus dem schwedischen Textteil, in deutscher Übersetzung:

            "Über dem Blechherd sind 3 Eisenstangen gelegt, auf welche die Bleche in 4 Haufen zu 60 Stück gestapelt werden. Sie sind mit Holzkohlen zu erhitzen und dann zu schmieden."

Das Original des Skizzenblattes befindet sich im schwedischen National-Archiv Stockholm.                                                                               (2./S. 146 und 148)

 

Abb. 14

Textblatt aus der Chronik von Johanngeorgenstadt des Pfarrers Engelschall über das Blechschmieden, 1723.

 

Chronist Engelschall beschreibt das Blechschmieden in der Eisenhütte Wittigsthal wie folgt:

            Aus der Frischhütte übernimmt der Blechmeister die Abschnitte Schirbel  ".../ welche er nachdem sie wieder heiß gemacht wurden / zerschrotet / und Stabeisen daraus macht / oder diese auszieht/ausschmiedet. Dann wird der mechanische Hammer angeworfen / durch welchen man die Stangen in Stücke zerhaut / und auswählt / welche Bleche werden sollen. Diese nun / werden nach der Schmiedearbeit unter dem mechanischen Hammer von einem Lehrling in ein Schmiedefeuer zum Glühen gelegt. Ferner werden dergleichen Stücke oder Stürzlein auf einer Seite breit geschmiedet. Dann kommen selbige abermals ins Feuer / und die andere Seite wird breit geschmiedet / was man Richten nennt / wobei man sie doppelt zusammenschläget und nochmals ins Feuer tut. Hierauf nehmen sie 2. Stürzlein zusammen / und die eine Hälfte von den zusammengeschlagenen Blechen wird unter dem mechanischen Hammer / eine Handbreit gleichfalls gestreckt / bis es genug ist / was man Gleichen nennt. Ist nun dieses geschehen nimmt man 4 mahl 48. Stürzlein zusammen / schiebt sie über das Feuer auf eiserne Stangen / daß sie glühend werden / und damit sie nicht zusammenschweißen oder zusammenhängen bleiben / steckt man sie in eine breiige Wasseraufschwemmung / leget 28. Stürzlein in einer Zange unter den Hammer / bis sie 1/4 breit geschlagen / und nachdem sie noch zu dreyen mahlen ins Feuer getan / ihre Breite erlangten. Letztendlich werden die Bleche in der Hütte beschnitten / und in Schock gezählt / kommen nochmals unter den Hammer und werden abgerichtet. ..."            (4./Cap. IV.)

 

Manchen Blechhammerwerken waren Pfannenschmiedereien angegliedert, wie es der Chronist Meltzer 1694 von der Eisenhütte "Auerhammer", heute Stadt Aue, berichtet.            (9./S. 163)

 

Abb. 15

Schmiedeeiserne Tür aus handgeschmiedeten Sturzblechen gefügt,

Verfertiger Zacharias Georgi / Schwarzenberg, um 1710/20,

Stadtkirche St. Georgen Schwarzenberg.

 

In der ZINNEREI, der VERZINNEREI oder auch ZINNWERK genannt, beruhte das technologische Verfahren der Metallbeschichtung auf Eintauchen Metalltauchen der geschmiedeten, geätzten und gereinigten Schwarzblechtafeln in ein Bad mit flüssigem Zinn.

Technischer Vorgang:

Die Schwarzbleche wurden gebeizt mittels einer gesäuerten Beize aus Roggenkleie, die die Oberflächenverunreinigungen wie Zunder, Fett und Oxidation (Rost) beseitigte. Der Beizvorgang dauerte ca. 3 Tage. Dieses Beizmittel, eine organische Säure, entstand durch Gärung. In der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts gehen die Bemühungen in einzelnen westerzgebirgischen Eisenhütten dahin, billigere Beizmittel, wie Holzessig oder Kartoffelbeize, zum Einsatz zu bringen. Eine Verbesserung des Beizprozesses konnte damit nicht erzielt werden. 

Die Reinigung der gebeizten Schwarzbleche auf der Reibebank geschah mit Sand und Wasser. Um das Oxidieren der gebeizten und gereinigten Bleche zu verhindern, wurden diese bis zur Weiterverarbeitung in Wasserbehältern, Wassertrögen, aufbewahrt. Zum Abtrocknen der gewässerten Bleche wurden Sägespäne von Laubhölzern verwendet, da diese kein Harz enthalten. Um das Verdampfen des in der Zinnpfanne geschmolzenen, teuren Zinns zu verhüten, bedeckte man es mit geschmolzenem Unschlitt (Rindertalg). Dieser hatte eine verhältnismäßig hohe Verbrennungstemperatur, die bei ca. 290°C lag. Das Tauchen einer Zange Schwarzbleche, meist 100 Stück, in das Zinnbad mit dem Unschlittüberzug, dauerte ca. 1/4 bis 1/2 Stunde.

In einer anderen Quelle ist eine viel längere Zeiten (bis zu 3 Stunden) angegeben, die kaum Wahrscheinlichkeit haben kann.

 

Für das Zinnbad verwendete man geschmiedete Pfannen aus Kupfer- oder Schwarzblech, hergestellt aus sogenanntem Pfannenblech, mit den Abmessungen Länge 50 cm, Breite 40 cm, Tiefe 50 cm. Erst im ausgehenden 17. Jahrhundert kamen gusseiserne Zinnpfannen in Gebrauch.

Die sich an der Oberfläche des Zinns in der Zinnpfanne absetzenden Verunreinigungen wurden öfter abgezogen und durch schwimmendes Unschlitt gering gehalten. Durch das teilweise Verbrennen und Verdampfen von Unschlitt entstanden im Zinnraum und auch in dessen Umgebung penetrante Dünste. Nach der Abkühlung auf Gestellen, auf denen anhaftender Talg sich sammelte, wurden die verzinnten Bleche umsortiert und ein zweites Mal, im Zinnbad mit weniger schwimmendem Unschlitt (Talg/tierisches Fett), verzinnt. Der unten an den Blechtafeln anhaftende oft ziemlich dicke Zinnsaum schmolz bei erneutem Eintauchen in einem weiteren kleinen Zinnbad, genannt Abwerfpfännel, ab. Zu den letzten Arbeitsgängen gehören das Abputzen und Polieren der Weißblechtafeln mit einem Gemenge von Schlemmkreide, Kleie und Werg; dann folgte das Abwischen mit Tüchern. Notwendig war oft noch das Klopfen der Weißblechpakete mit einem Holzschlägel auf dem Klopfstock, um Beulen auszugleichen. Die Weißbleche der erzgebirgischen Hammer- und Eisenhütten waren Halberzeugnisse.

 

Dem Skizzenblatt (Abbildung 12) des Eisenhüttenschreibers Christoph Horrbach ist weiter aus seinen handschriftlichen Aufzeichnungen von 1673 über das Blechverzinnen zu entnehmen:

Im deutschen Textteil ist dazu geschrieben:

            "...Der Zinner bekommt für 300 Blätter 1 Taler und für ein doppeltes Fässlein á 450 Blatt 3 Taler, aber mag alles selbst verantworten mit Arbeitslohn, Beize, Talg, Kohlen etc.

            Für ein Schock Kohlen bezahlt der Zinner seinem Herren nicht mehr als 12 Taler ..."

Die Übersetzung des schwedischen Textteiles vermittelt dazu:

            "...Die Schwarzbleche werden in einer Pfanne im Zinnofen, die gefüllt ist mit flüssigem Zinn und einer Zugabe von Kupfer, bis zum Saum (Rand) einzeln eingetaucht und 1/4 Stunde erwärmend behandelt. Mit einem speziellen Haken werden dann die verzinnten Bleche auf ein Gestell zum Abtropfen gestellt. ..."                   (2./S. 146 und 148)

 

Verwendung fanden die Weißbleche des Erzgebirges für Dachungen, Klempnerwaren und Gerätschaften. Der Versand von Weißblechtafeln geschah in Fässern, je 300 bis 450 Stück. Ausschussbleche wurden stückweise abgegeben.

Qualitätsmerkmale für Weißbleche:

- gleichmäßig geschmiedet,

- sauber beschnitten,

- gut gebeizt und gleichmäßig sauber verzinnt.

  Merkmale für Ausschuss-Weißbleche:

- Zinnüberzug haftet schlecht, ist blättrig,

- Blasenbildung des Zinns,

- unsauberer Zinnsaum und über einen Finger breit.      (10./ S. 97)

 

 

Abb. 16

Textblatt aus der Chronik von Johanngeorgenstadt des Pfarrers Engelschall über das Blechverzinnen, 1723.

 

In der Chronik von Johanngeorgenstadt schreibt Engelschall über das Verzinnen von Blechen in der Eisenhütte Wittigsthal:

"...Wie aber die guten Bleche verzinnt werden / möchte ich von dieser Verrichtung etwas melden. Man schneidet nämlich zuerst die Bleche ins Zinn-Maß / leget sie in die Beitze / die aus Korn und Wasser besteht / und weil diese stets in der Wärme gehalten wird / eine Säuer/Gährung bekommt / worin sie 3 Tage liegen. Danach reibt man sie mit Sand ab / und legt sie ins Wasser / bis sie in die Pfanne kommen / wo dem Zinn etwas Kupfer und (Unschlitt)Talg zugegeben wird. Man setzt zuerst 100. Blatt auf einmal in das Bad / und diese bleiben etwa 1/4 Stunde darinnen / werden dann heraus genommen (und gedreht)/ und zum zweiten mal in die Zinnpfanne getan / und einzeln herausgezogen / sie werden ferner dann kurzzeitig einzeln in eine andere Pfanne getaucht / wo das Zinn rein gehalten wird / und danach wischet man das (Unschlitt) Talg mit Sägespäne ab / oder bearbeitet die (Säume) Blechränder / wischet sie zum zweiten mal mit Kleie ab / klopft dieselben halbhundertweise (50 Stück) mit einem eisernen Hammer (gleich) plan / und reinigt solche mit einem (Hader) Lappen / bis sie recht rein sind. Endlich durchsieht der Zinner die Bleche / sortiert jedes Blatt / und zählt in die Fässer / dann vier Sorten / und zwar erstens die stärksten Creutz-Bleche / wovon 450 Blatt in ein Fass kommen / so an Leipziger Gewicht 234 Pfund haben müssen. Hernach werden die Fuder (Mengen) der anderen Blechsorten / so auch 450. Blatt pro Fass verpackt / und dann der Ausschuss / das sind die Bleche / die Schiefer und Ritze haben / die kommen einzeln oder auch Fässleinweise zum Verkauf. ..."                    (4./Cap. IV., S. 287-288)

                       

Abb. 17

Zinnereigebäude einer erzgebirgischen Eisenhütte für Schwarzblechverzinnung, 18. Jahrhundert, Rekonstruktion,

Zeichnung G. Altmann.

Im Erdgeschoss lagen die Arbeitsräume.

1         Beizstube, gewölbter Raum, Beizkessel/Beizpfanne, Auspresskessel für die Beizenherstellung, Ofen, Wassertrog.

2         Zinnstube, Zinnpfanne mit Herd, Tropfgestelle/Regale.

3         Hausflur.

4         Reibestube/Wischstube, Sortierung, Verpackung, Reibebänke/Reibetische, Klopfstock, Schleifstein, Kleie- und Sägespänekisten, Ofen, Verpackungsfässer, Brenn- und Schlageisen für die Markenzeichen.

5         Lager- und Abstellraum.

6         Holzkohlenschuppen.

Im Obergeschoss befanden sich die Wohnräume für die Familien des Zinnmeisters und seiner Zinnereiarbeiter. Unter dem Dach befanden sich die Schlafkammern.

 

 

Neben der Blechverzinnung übernahmen vereinzelt die Zinnereien der Hammer- und Eisenhütten auch Verzinnungsarbeiten von Flaschnerwaren (Blechgefäßen), Fenster- und Türbeschlägen, Zaumzeug für Zugtiere, Schlossererzeugnissen und anderem.                     

                                                            (4./Cap. IV.)  (6./S. 182-183)  (7./ S. 142)            

"Des Kupferschmiedemeisters Ludwig Kleinhempel Hauschronik" in der Bergstadt Annaberg vermerkt für das Jahr 1666 über die Verwendung von Weißblechtafeln:

"...Den 28. August haben sie das Dachreitertürmchen eines Seitenschiffes der St. Annenkirche  angefangen mit weißem Blech (verzinntem Eisenblech/Weißblech) zu decken. So sind 4 Fässlein und 100 Blatt dazu bis auf den Wetterboden verwendet worden...."            (5./S. 55)

 

Die erzgebirgischen geschmiedeten Bleche waren vor allem durch ihre Güte und Gleichmäßigkeit berühmt und geschätzt. Die Bleche mit Markenzeichen hatten Ende des 17. Jahrhunderts Weltruf und waren begehrte Handelsobjekte. Jeder Hammer- und Eisenhüttenherr war verpflichtet, die Fassböden der Weißblechfässer mit seiner beim kurfürstlichen Kreisamt und der Hammerinspektion eingetragenen Hammer- oder Eisenhüttenmarke zu kennzeichnen.

Die Bleche mit den Markenzeichen Einhorn, Hengst und Krone; der Eisenhütten des Johann Korb / Arnoldshammer (Rittersgrün), Michael Gottschaldt / Wildenthal und Veit Hans Schnorr d.J. / Neidhardtsthal; hatten Ende des 17. Jahrhunderts Weltruf und waren begehrte Handelsobjekte.  (8.)

 

 

Abb. 18   Beispiele von Stabeisen- und Blechmarkenzeichen

 

Blechmarke der Eisenhütte „Arnoldshammer“ Rittersgrün, Eisenhüttenherr Johann Korb, um 1660.  Stabeisenmarke der Eisenhütte „Arnoldshammer“ Rittersgrün, Eisenhüttenherr Johann Augus t von Elterlein, 1760.
Blechmarke der Eisenhütte Auerhammer, Eisenhüttenherr Veit Hans Schnorr, 1663. Stabeisenmarke der Eisenhütte des Eisenhütten- herren Georg Friedrich Viehweg, 1763.
Blechmarke der Eisenhütte Unterblauenthal (Blauenthal), Eisenhüttenherr Heinrich Siegel, 1660. Stabeisenmarke „Kleeblatt“ der Eisenhütte Unterblauenthal (Blauenthal), 1660/1780.

 

Durch die Einführung des Blechwalzens in Deutschland ab 1769 durch Heinrich Wilhelm Remy in der Rasselsteiner Eisenhütte bei Neuwied (am Rhein, nördlich von Koblenz) in der Grafschaft Wied veraltete auch im Erzgebirge die durch den Chronisten Engelschall beschriebene Technologie des Blechschmiedens. Versuche, das Blechwalzen im Erzgebirge zu Beginn des 19. Jahrhunderts einzuführen, scheiterten in verschiedenen Eisenhütten. Erst 1827 gelang es Carl Gotthelf Nestler, als erstem in Sachsen in seiner Eisenhütte Wittigsthal bei Johanngeorgenstadt, nach mehrmaligen Versuchen aus Stabeisen Bleche mit einem Duo-Walzwerk im Warmumformen herzustellen. Antriebsmittel war die Wasserkraft.

 

Ehemals Schrittmacher frühkapitalistischen Produzierens seit dem 2. Viertel des 16. Jahrhunderts, konnte das erzgebirgische Eisenhüttenwesen in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts sich der industriellen Revolution und den neuen Betriebs- und Wirtschaftsformen nicht anpassen und die erforderlichen neuen Organisationsgrundlagen nicht aufbauen. Das brachte den Eisenhütten sowie den Produktionen geschmiedeter Bleche den Untergang.

 

Quellenverzeichnis

1.

Altmann, Götz: Erzgebirgisches Eisen / Geschichte – Technik – Volkskultur,

in: Reihe „Weiss-Grün 15“, Schneeberg und Dresden, 1999.

 

2.

Autorengemeinschaft: Iron and Stell an the European Market in the 17th Century, The Historical Metallurgy Group of the Swedish Ironmasterns´ Association,

Stockholm, 1982.

 

3.

Codex Augusteus,

Herausgegeben von Johann Christian Lünig,

Leipzig, 1724, Teil I, 1772-1806 Fortsetzung I/II (4 Bände), 1824 Fortsetzung III (1 Band).

 

4.

Engelschall, Johann Christian : Beschreibung der Exulanten- und Bergstadt Johanngeorgenstadt,

Leipzig, 1723.

 

5.

Harms zum Spreckel, Heinrich: Des Kupferschmiedemeisters Ludwig Kleinhempel Hauschronik,

in: Mitteilungen des Vereins für Geschichte von Annaberg und Umgebung, 16. Jahrbuch, fünfter Band,

Annaberg, 1927

 

6.

Hofmann: Abhandlung über die Eisenhütten,

Hof, 1783.

 

7.

Matthes, Erich: Eibenstock unter Andreas Blau,

Manuskript, um 1955, Museum Schloss Schwarzenberg.

 

8.

Matthes, Erich: Alte Eisenhütten- und Waffenschmiedemarken des sächsischen Erzgebirges,

in: Glückauf – Zeitschrift des Erzgebirgsvereins, Heft 10 und 11,

Schwarzenberg, 1939, S. 219-224 und 239-242.

 

9.

Meltzer, Christian: Historia Schneebergensis Renovata ...,

Schneeberg, 1716.

 

10.

Schmidt, Roland: Technik und Gemeinschaftsleben dargestellt am Beispiel der Hammerwerke des Amtes Schwarzenberg 1650-1850, Diplomarbeit, Humboldt-Universität zu Berlin – Bereich Ethnographie, Berlin, 1970.

 

 

 

 

Sächsisches Hauptstaatsarchiv Dresden

 

Loc. 11106

Die Blechfabriken in hiesigen Landen und den Handel mit diesen Fabrikaten überhaupt betr., 1769-1790.

 

Loc. 34968

Verzeichnis der Blech-, Frisch- und Stabfeuer, 1710.

 

Loc. 36157

Blechkompanie und feste Hand, 1681.

 

Loc. 36159

Blechkompanie und feste Hand, 1681-1720.

 

Loc. 36160

Erzgebirgische Hammerwerke (Eisenhütten) betr., um 1720-1780.

Kommissionsbericht über Blechtransporte vom Westerzgebirge nach Leipzig u. a., 1773.

Blechhandel, Kosten, Geleitsgelder, Blechfabriquen, um 1770-1777.

 

Loc. 36170

Blechfabrikation in der Eisenhütte Rothenthal betr. (2. Hälfte 18. Jahrhundert).